„Ich glaube ich habe ein Burnout“, klagte ein Bernhardiner seiner Herzensdame, einer kleinen Pekinesin, die er jeden Tag auf seinem Morgenspaziergang antraf. „Du Armer“, sagte sie mitleidig und schaute liebevoll zu ihm hoch. „Du bist die erste der ich wage mein Leid anzuvertrauen“, flüsterte er ihr ins Ohr, nachdem er sich zu ihr niedergeneigt hatte. „Ich schäme mich, denn ein solcher Kerl wie ich bin, sollte wirklich kein Burnout haben.“ Die beiden waren sich sehr zugetan, jedoch die Standesunterschiede waren gross. Sie gehörte einer vornehmen Boutikbesitzerin und er dem Gastwirt einer Bierkneipe. Sie reichte ihm fast nur bis zum Knie. Ihre Liebe musste sich leider auf das Platonische beschränken. Was die Beiden verband, war der gemeinsame Pinkel- und Gassiplatz. Der Zufall oder besser gesagt die Arbeitszeit ihrer beiden Besitzer wollte es, dass sie sich fast jeden Tag einmal mehr oder weniger zufällig trafen. Dann rannten sie zusammen während zehn Minuten einem kleinen Flüsschen entlang, bis die obligaten Pfiffe ertönten und sie wieder zu Herrchen und Frauchen, die noch nie miteinander gesprochen hatten, an die Leine zurückzukehrten. „Ist das eine seelische Krankheit?“ fragte die kleine Pekinesin, und sie fügte bei „wo liegt der Grund, und bekommst du Medikamente?“ „Natürlich werde ich mit Medikamenten gefüttert. Mein Herrchen gibt mir Antidepressiva weil ich, wie er sagt, nur noch teilnahmslos daliege. Aber eigentlich kenne ich den Grund meiner Krankheit. Die Leine ist schuld.“ Der Bernhardiner fing an zu knurren, sodass seine kleine Freundin einen Schritt zurück wich. „Die Leine?“, fragte sie. „Ja, die Leine und die mangelnde Freiheit. Ich habe zu wenig Bewegung, zu wenig Raum und keine befriedigende Aufgabe. Meine Vorfahren waren Trägerhunde, und ich habe keine andere Aufgabe als der Kumpel von Saufgästen zu sein. Das Fressen wird mir gebracht. Meine Wege sind mir vorgeschrieben. Jeder meiner Schritte wird kontrolliert. Ich bin müde vom Nichtstun. Das heisst, ich bin immer präsent, bin auf der einen Seite überfordert auf der andern unterfordert.“ „Das sind wir alle“, meinte gütig die kleine Pekinesin. „Auch ich werde vor Liebe fast erdrückt, auch meine Schritte sind vorgeschrieben. Der Unterschied ist vielleicht der, dass ich weniger Bewegung brauche als du.“ Ein Pfiff ertönte und kurz darauf einer aus einer andern Pfeife. Die beiden Hunde rannten davon „Morgen wollen wir Pläne schmieden“, riefen sie einander zu. „Wir wollen leben und nicht vor lauter Wohlstand vor die Hunde gehen. Auf zum Streik der Hunde!“